Befragt man Besitzer:innen von E-Autos, was im Alltag am meisten stört, ist das sicher die völlig willkürliche Preisgestaltung von E-Ladesäulen, durch deren Betreiber:innen und den dazugehörigen Ladekarten-Tarifen. Weil obendrein nicht jede Karte bei jedem Anbieter funktioniert, wird das E-Auto von vielen noch als Nischenprodukt betrachtet.

Die Neuzulassungen und die Bekenntnisse der meisten Autobauer verraten jedoch, dass der Verbrenner längst angezählt ist und Wasserstoff und E-Fuels ein Nischendasein fristen werden. Diesel-Dieter, wie ihn Lisa von Elektroauto Memes nennt, wird das nicht gefallen, aber jetzt sind Lösungen und kein unkonstruktives Gemeckere gefragt. 

Trotzdem: Das Thema Charging hat mittlerweile die berüchtigte Reichweitenangst als Bremsklotz der Antriebswende abgelöst. Die angekündigten Ausbaupläne der öffentlichen Ladeinfrastruktur auf eine Million Säulen bis 2030 mögen helfen, mit dem Tempo der Elektrifizierung der Fahrzeugflotte Schritt zu halten. Genauso wichtig wäre es aber, das oft nervige Lade-Prozedere anzugehen. Denn Ladesäulen-Aufsteller und Energiekonzerne sind nach wie vor kaum um Transparenz und Kompatibilität bemüht. Nun kommt allerdings eine mögliche Lösung des Problems – nicht von der Industrie, sondern aus der E-Auto-Community.

„Man sieht genau, was für Gebühren pro Ladevorgang auf einen zukommen“

Jasper Luig, Welectrify

Preisvergleich für öffentliche Ladestationen

Welectrify zeigt für einen ausgewählten Ladepunkt automatisch den günstigsten Tarif an. Foto: Welectrify

Welectrify ist eine Web-App, die öffentliche Ladesäulen in der Umgebung anbieterunabhängig aufspürt. Autofahrer:innen legen zuvor fest, welches Fahrzeug sie fahren und bei Bedarf verraten sie der App, wie viel Strom nachgeladen werden soll. „Man kann die verschiedenen Steckertypen auswählen und dann sieht man genau, was für Gebühren pro Ladevorgang auf einen zukommen“, erklärt Jasper Luig von Welectrify im Gespräch mit FUTURE MOVES. 

Ähnlich wie beim Smartphone ist das Roaming mit Ladekarten bei den unterschiedlichen Anbietern entweder gar nicht erst möglich oder teilweise sehr teuer. Viele E-Mobilisten haben deshalb eine ganze Reihe an Ladekarten im Portemonnaie. Doch da den Überblick zu behalten ist schwierig. Über eine Favoritenfunktionen ist bei Welectrify sofort ersichtlich, welche der Karten am günstigsten ist. Die Abrechnung über Welectrify ist jedoch nicht möglich.

„Man kann einzelne Ladesäulen bewerten“

Jasper Luig, Welectrify

Neben dem Preisvergleich für Ladekarten gibt es ein Rating-System. „Man kann die einzelnen Ladesäulen auch bewerten und die Community kann sich so auch untereinander austauschen“, erklärt Luig. Sicher wird dort demnächst dann auch die notorische Unzuverlässigkeit von Hamburger Schnellladesäulen thematisiert.

Privates Wallbox-Sharing

Welectrify hat außerdem private Wallboxen im Visier, also jene Ladestationen, die auf Privatgrundstücken stehen. Jasper Luig erklärt, wie das klappen soll: „Wir wollen dem Wallbox-Besitzer die Möglichkeit geben, seine Wallbox mit anderen E-Mobilisten zu teilen. So erhoffen wir uns eine Verbesserung der Ladeinfrastruktur oder das schnellere Amortisieren der Wallbox oder der PV-Anlage.“ 

Kern des Sharings ist ein Buchungssystem, in dem Wallbox-Besitzer:innen ihre Stationen zu einem selbst in der Welectrify-App festgelegten Preis und nur in bestimmten Zeiträumen anbieten können, etwa während der Arbeitszeit oder am Wochenende. Um eine solche Station zu nutzen, müssen User:innen ein Zahlungsmittel hinterlegen und die private Station reservieren. Sie steht dann nur in der Zeit zur Verfügung. Besitzer:innen von Ladestationen können eine Nachricht zum Standort oder eventuellen Zugangscodes hinterlegen. An einer Integration von nicht-öffentlichen Ladestationen mit Zugangsbeschränkung per Ladekarte wird aktuell gearbeitet.

„Wir erhoffen uns die schnellere Amortisierung der Wallbox oder PV-Anlage“

Jasper Luig, Welectrify

Die EEG-Förderung für installierte Photovoltaikanlagen liefe gerade aus, und da in den nächsten  Jahren noch mehr Photovoltaikanlagen hinzukommen sollen, prophezeit der Gründer einen Einspeisepreis von nur wenigen Cent für aus Photovoltaik erzeugtem Strom. „Da bietet sich das Elektroauto geradezu als Stromspeicher an.“ Im besten Fall entstünde ein eigenes Nachbarschafts-Ladenetz.

Bislang sind nur die öffentlichen und noch keine privaten Ladestationen verzeichnet, das soll sich mit Veröffentlichung der Android-App jedoch ändern. Letztlich könnte EnBW-Chef Frank Mastiaux recht behalten. Er sagte erst im Februar in der Sonntagsausgabe der FAZ: „Wir haben heute keinen Mangel an Ladesäulen“. Niemandem sei geholfen, wenn an jeder Straßenecke ungenutzte und unrentable Ladestationen stehen.

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Jasper Luig

Jasper Luig

Eigentlich absolviert Jasper Luig ein duales Studium bei Vonovia. Die Welectrify-Idee  überzeugt ihn jedoch und so sehr, dass er sich noch während des Studiums mit seinen drei Mitgründern zusammengetan hat. Jasper ist bei Welectrify für Programmierarbeiten im Front- und Backend verantwortlich.

Niklas Hoesl

Niklas Hoesl

Der Österreicher Niklas Hösl hat im Jahr 2018 sein erstes E-Auto bestellt und war zunächst von der Menge an Anbietern überwältigt. Der Software-Entwickler von Runtastic brauchte nur zwei Monate, um einen Preisvergleich für Ladeanbieter ins Leben zu rufen. Mit seinen beiden französischen Partnern gründete er 2019 Chargeprice.