EV Cringe: Warum sind alle Songs über Elektroautos so fürchterlich?
Tesla, Twizzy und all die anderen E-Autos sind toll. Doch die Lieder darüber besch***en. Ein Überblick – inklusive EV Cringe Playlist von FUTURE MOVES
Schon eine Weile her, da hatten wir uns in der FUTURE MOVES-Redaktion gefragt, ob es eigentlich Spielteppiche für die Verkehrswende gibt. Also diese mit Straßen bedruckten Dinger für das Kinderzimmer – nur eben mit mehr Radwegen und Superblocks. Quasi als eine Art verkehrspolitische Früherziehung. Doch anders als Kinderbücher zum Thema Verkehrswende, scheint es die bislang nicht zu geben.
Daran mussten wir denken, als neulich einem Kollegen eine Peppa-Wutz-Folge zum Thema Elektroauto in seine YouTube-Empfehlung-Spalte gespült wurde. Und weil darin auch ein kleiner Song über das Fahrzeug vorkommt, lag es nahe, einmal zu schauen, was das Thema Antriebswende eigentlich musikalisch so hergibt. Und, was sollen wir sagen, Peppa Wutz hat uns ein Tor zur Hölle aufgestoßen.
„It’s electric! So it’s good for the environment“
The Tesla Electric Car Song for Kids
Denn es gibt nicht nur ein paar Song über Elektroautos, sondern Dutzende. Und die allermeisten davon sind in unterschiedlicher Hinsicht so verstörend, dass wir nicht anders konnten, als diese Lieder in einer Playlist zu sammeln, die wir an dieser Stelle teilen wollen. „EV Cringe“ haben wir die Playlist getauft, weil uns das als Bezeichnung für das Genre ganz passend erschien.
EV Cringe lässt sich grob in vier Untergenres einteilen. Das größte davon ist einer einzigen Marke gewidmet: Tesla – beziehungsweise dem Mann, der aus dem E-Auto-Start-up einen Konzern gemacht hat, der die Autoindustrie seit ein paar Jahren vor sich her treibt. Die Hymnen auf den Helden der Antriebswende sind dabei oft eher grob geschnitzt. Was zum einen daran liegt, dass es sich bei den meisten dieser Muskiaden um Kinderlieder handelt. Zum anderen, weil das Thema Dekarbonisierung der Mobilität hier doch etwas unterkomplex eingedampft wird.
„Egal wie lang er laden mag / ich finde Ladepausen stark“
ElectricDave
„Have you heard of a Tesla before? / Well if you haven’t, it’s a really really fast car / It’s electric! So it’s good for the environment / It’s electric! Which means it’s good for the environment“, heißt es etwa im Lied „The Tesla Electric Car Song for Kids“. Noch unverhohlener huldigt der „Electric Car Song“ der Marke. „Electric car / Quiet and clean / Going to save the planet with electricity“, singt dort ein grüner Comic-Gecko unterlegt von PR-Videomaterial vom Model X. Neben den Tesla-Tunes fürs Kinderzimmer gibt es übrigens auch noch sehr, sehr, sehr viele Songs, in denen Elon Musk ganz allgemein als Universalgenie besungen (oder auch verspottet) wird.
Das zweite Subgenre des EV Cringe lässt sich nicht ganz scharf von eben erwähnten Musk-Hymen abgrenzen, bietet dabei aber noch deutlich mehr Fremdscham-Potenzial. Es handelt sich um Schöpfungen von offensichtlichen EV-Fanboys (Girls sind uns keine begegnet). Die haben sich in der Regel irgendwo zwischen Schlager-Schund und Singer-Songwritertum verirrt. Unklar bleibt in manchen Fällen, wie viel Ironie in den Texten steckt: „Egal wie lang er laden mag / Ich finde Ladepausen stark“. Hervorzuheben ist aber – und das ganz ohne Ironie – die positive Energie, mit der die Musiker sich dem Thema Elektroauto hingeben.
Während sich die EV-Fanboys eher marktneutral geben oder Nischenmodelle wie den Renault Twizy besingen, wird das dritte Subgenre EV-Rap mit wenigen Ausnahmen abermals ganz klar von Tesla dominiert. Wobei das vor allem dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass es bislang kaum andere BEV-Modelle gibt, die die beiden in der Hiphop-Kultur essentiellen Anforderungen an ein Fahrzeug verbindet: Status und Speed. Textlich ist der EV-Rap dann entsprechend überschaubar aufgestellt.
„Mittelfinger für die Schwätzer / Dicker, bewege mich schneller, ja“
Ufo361
Internationale wie auch deutschsprachige Künstler*innen geht es vor allem um das Attribut Geschwindigkeit. „Von Null auf Hundert wie ein Tesla / Von Null auf Hundert wie ein Tesla / Mittelfinger für die Schwätzer / Dicker, bewege mich schneller, ja“, singt der Berliner Rapper Ufo361 zum Beispiel. Eine nette Variante zum Thema Status findet sich beim ebenfalls in Berlin beheimateten Rapper Mekka. Der setzt sich bewusst vom kommerziellen Mainstream-Betrieb ab und thematisiert das auch in seinem Track „Dieser eine Song den wir im Tesla gemacht haben“ in anrührender Bürgersöhnchenbravheit: „Wär der Wagen nicht gemietet, würde ich buffen, wenn ich fahr“. Guter Junge.
Es bleibt noch das vierte und eigentlich naheliegendste Untergenre: EV Electro. Immerhin hat sich die den EV Cringe dominierende Automarke ihre Namen vom Elektrotechnik-Pionier Nikola Tesla geborgt. Tatsächlich bezieht sich die Mehrheit der elektronischen und textlosen „Tesla“-Tracks aber wohl eher auf den Mann als auf das Auto. Umso irrlichternder erscheint darum „Electric Car“ des französischen DJ und House-Produzenten Laurent Wolf.
Musikalisch ist der Track ein Brett mit House-üblichem Ballaballa-Text. Das Video dazu schillert allerdings umso wirrer. Zum einen rein optisch (siehe oben). Zum anderen, weil die Hauptrolle ein Hummer spielt; das berüchtigte Spritschluckmonster und gewissermaßen die Antithese zum Elektroauto. In dem Clip wird der Geländewagen auf eine, nun ja, eher laienhafte Art und Weise zu einem EV umgebaut. Was entweder völlig gaga gemeint war – oder visionär. Track und Video stammen nämlich aus dem Jahr 2012. Die Produktion des Hummers war damals bereits ausgelaufen. Allerdings sollte ziemlich genau zehn Jahre später im Frühjahr 2022 eine elektrische Neuauflage des Hummer auf den Markt kommen.
„Du kommst mit ’nem Bike an / Ich steig in meinen Taycan“
Foo’dscha Muuvs
Fazit
Musikalisch ist im Bereich E-Auto noch viel Luft nach oben. Zudem gibt es aktuell noch jede Menge unerschlossenes Marketing-Potenzial für alle Hersteller außer Tesla. Denn während im Rap jedem Auto ab einem gewissen Protzfaktor in Songtexten gehuldigt wird – und so selbst eine Marke wie Rolls-Royce mit Street Credibility aufgeladen wurde, vermissen wir Zeile wie „Du kommst mit ’nem Bike an / Ich steig in meinen Taycan“. (Nachwuchsrapper aufgemerkt!)
Und das Beispiel der Tesla-Kinderlieder zeigt: Hersteller mit E-Ambitionen sollten sich vielleicht etwas mehr ins Zeug legen, wenn sie nicht wollen, dass für die nachwachsenden Kundengruppen der Rivale nicht gleichbedeutend mit dem Auto werden soll. In diesem Sinne: Was reimt sich auf ID Buzz?
Die ganze – sicher nicht vollständige – EV Cringe Playlist von FUTURE MOVES findet ihr hier. Wenn ihr weitere Songs kennt, die darauf gehören, mailt uns den Link. Mit einem noch höheren Cringe-Faktor warten übrigens Songs der E-Auto-Hater auf, die wir allerdings bewusst überhören wollen.