Verkehrswende: Warum „Autos sind das neue Rauchen“ nicht reicht
Im Nachbarland muss Autowerbung bald mit Warnhinweisen versehen werden. Doch die Wirkung wird verpuffen, wenn nicht entscheidende Maßnahmen nachgeschoben werden
Der Konsum von Tabakprodukten ist ein Garant für ein langes und gesundes Leben – das suggerierte zumindest lange Zeit die Werbung für Zigaretten. Doch irgendwann setzte sich die Einsicht durch, dass die Glimmstängel doch eher ungesund sind. So funktioniert der Mensch nun einmal: Die Erkenntnis, dass ein oft und gerne genutztes Produkt eigentlich schädlich ist, ist immer ein Prozess. Und das Beispiel Tabak zeigt: Dieser Prozess lässt sich dadurch beschleunigen, dass der Staat steuert, wie und wo für ein schädliches Produkt geworben werden darf.
Nach diesem Skript will man in Frankreich nun ein anderes Laster angehen: Ab März darf Autowerbung Fahrzeuge nur noch in realistischen Settings zeigen. Die CO2-Emissionsklasse des Autos muss gut sichtbar angeben werden, dazu sind Hinweise auf alternative Mobilitätsformen Pflicht. Im Fall eines Verstoßes droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Ab 2028 soll Werbung für besonders umweltschädliche Pkw dann komplett verboten werden.
Doch was die einen als sinnvoll erachten scheint für andere „kurios“. So jedenfalls titelt es der „Merkur“ und vergleicht das Verbot mit einem australischen Gesetz, wonach man im Kofferraum seines Pkw kein Heu transportieren darf. Eines der beiden Gesetze könnte jedenfalls einen echten Beitrag zum Umweltschutz leisten. Doch so löblich das Ansinnen scheint, die Konsument:innen Schritt für Schritt von den SUVs zu entwöhnen. Als Mittel, die Verkehrswende spürbar voranzutreiben ist das Verbot von Werbung nicht geeignet. Zumindest nicht in der geplanten Form.
„Solche Verbote allein haben selten lenkende Wirkung“
Ingo Hamm, Professor für Wirtschaftspsychologie
Das sagt Ingo Hamm, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt. „Solche Verbote haben, egal in welchem Kontext, selten eine lenkende Wirkung, wenn sie nicht in ein Gesamtkonzept eingebettet sind.“ Die Tabakindustrie bietet dabei ein gutes Beispiel. Seit 1975 ist in Deutschland Zigarettenwerbung im Radio und Fernsehen verboten. Nur bei den in der Folge noch verschärften Werbeverboten ist es seitdem nicht geblieben. Es gab eine Reihe ergänzender Maßnahmen im Gesundheitsschutz. Darunter das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, das am 20. Juli 2007 in Kraft trat, das das unter anderem das Rauchen innerhalb von Restaurants verboten hat. Übertragen auf das Auto entspräche dieser Ansatz dann etwa einer Bannmeile rund um die Innenstädte für besonders emissionsreiche Modelle.
Trotzdem sind Maßnahmen, die die Werbung beschränken, nicht sinnlos. Denn die Tabak- und Automobilindustrie haben neben dem Ausstoß von Schadstoffen und gesetzlichen Einschränkungen noch eine weitere Gemeinsamkeit: Tabakprodukte und Autos werden mit dem Versprechen von Freiheit beworben. Das erfolgreiche Marketing der Automobilindustrie hat den Status der Autos als Freiheits- und Statussymbol fest in die deutsche Kultur zementiert – und auf den deutschen Straßen, so Hamm. „Wir haben immer noch eine ganz große Bedeutung der Freiheit durch einen Pkw.“ Kein Wunder also, dass die Marketinginstrumente zum Ziel des Umweltschutzes werden.
Denn die propagierte Freiheit der Autoindustrie wird durch externe Kosten erkauft – also Folgekosten des Autofahrens, die nicht durch die Verursacher:innen getragen werden. Hier zeigt sich dann ein deutlicher Unterschied zum Rauchen: Als Verbraucher:in kann ich keinen unmittelbar negativen Effekt des Autofahrens feststellen. Dies sei ein altbekanntes Phänomen der Umweltpsychologie, erklärt Hamm. „Dort wo ich eben nicht dieses unmittelbare Feedback habe, brauche ich andere Überzeugungsmechanismen.“
Die Verkehrswende wird also kaum über Warnhinweise oder Werbeverbote gelingen. Dennoch: „Irgendwo muss man beginnen, die Kommunikation ist vielleicht nicht der größte Hebel, aber eben einer von vielen“, sagt Hamm. „Für einen Strukturwandel braucht es ein konzertiertes Vorgehen, ein Zusammenwirken von Kommunikation und Verhaltensanreizen auf einer finanziellen Ebene und von sanften Verboten und Geboten.“
Für Deutschland konkret bedeutet das: attraktive Alternativen schaffen zu den Verbrennern. Und das möglichst schon vor 2035 – dem Jahr, ab dem nach einer Entscheidung der EU-Kommission Autos mit Verbrennungsmotor nicht mehr zugelassen werden. Die SUV-Entwöhnung braucht den Ausbau des ÖPNVs sowie des Fernverkehrs, großflächig verfügbare Mikromobilität für die letzte Meile und stark ausgebaute Sharing-Angebote. Insbesondere im ländlichen Raum sind viele Menschen noch auf das Auto angewiesen, ÖPNV-Angebote gibt es wenige und die Busse fahren zu selten. In den großdeutschen Innenstädten sind die Anbindungen zwar verlässlicher, das schnellste Verkehrsmittel bleibt meist trotzdem das Auto.
Kritiker:innen des geplanten Werbeverbots können sich jedenfalls beruhigt zurücklehnen: So schnell werden wir die Autowerbung nicht los sein, prognostiziert Hamm: „Ich glaube die Industrie – das hat auch die Zigarettenwerbung gezeigt – ist immer so raffiniert. Die Marketingabteilung wird schon Mittel und Wege finden, sich trotzdem im Gedächtnis der Verbraucher zu halten.“
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Stefan Gössling
ist Professor für Tourismus und Humanökologie an der Linnaeus University in Schweden. Vor kurzem veröffentlichte er eine Studie, die die lebenslangen Kosten eines Autos berechnet. Die Ergebnisse zeigen: Die Gesellschaft trägt die Kosten für Gesundheits- und Umweltschäden des Autofahrens mit rund 5000 Euro pro Jahr mit.
Anne Hidalgo
nimmt die Verkehrswende ernst. Die Bürgermeisterin von Paris hat in der Stadt das Tempo 30 durchgesetzt. Auf lange Sicht will Anne Hidalgo das Auto aus der Stadt verbannen. Keine einfache Aufgabe für eine Stadt, in der es bis vor 25 Jahren nur drei Kilometer Radwege gab. Heute ist der Weg mit dem Rad meistens schneller als mit dem Auto.