Schon vor Beginn des Kriegs in der Ukraine kam es zu steigenden Strom-, Gas- und Spritpreisen, die Inflation war auf einem Allzeithoch. In letzter Zeit wird deshalb die Erhöhung der Pendlerpauschale diskutiert, um steigende Kosten zu kompensieren oder zumindest abzumildern.

Andere sehen sie jedoch als streichbare Subvention, die das Klima schädigt. Manche Gegner:innen führen sogar an, dass die Pendlerpauschale auch der Gesundheit schade. Kann man die im korrekten Amtsdeutsch Entfernungspauschale genannte Steuererleichterung also nicht irgendwie besser machen, klimafreundlicher und gerechter? Oder sollte man sie gar ganz streichen? 

„Pendlerpauschale ist Ausdruck der freien Wahl des Lebensmittelpunktes und des Arbeitsortes“

Reinhard Sager, Präsident Deutscher Landkreistag

Weil viele Menschen durch hohe Miet- und Kaufkosten aus Städten getrieben oder gar von der Arbeitsagentur zur Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts aufgerufen werden, ist die Pendlerpauschale unverzichtbar. 2008 hat das der Bundesgerichtshof bestätigt. Auch Reinhard Sager vom Landkreistag betont: „Die Pauschale ist Ausdruck der freien Wahl des Lebensmittelpunktes und Arbeitsortes in einer Leistungsgesellschaft. Eines unserer Erfolgsprinzipien ist eine dezentral aufgestellte Wirtschaft mit vielen Hidden Champions gerade in den ländlichen Räumen, mobilen Arbeitnehmern und breit auf die Fläche verteilter Wertschöpfung.“

Während die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Lisa Paus davor warnte, „an der Pendlerpauschale rumzudoktern“ und „fossile Inflation“ zu fördern, zeigte sich Finanzminister Christian Lindner von der FDP wenig überraschend offen: Wenn es zwischen der Ampel-Koalition und den Ländern „eine Einigung gebe, daran etwas zu tun, würde es am Finanzminister nicht scheitern“. Die Mehrbelastung durch gestiegene CO2-Preise und Energiekosten träfe schließlich die breite Mitte der Gesellschaft.

„Jetzt an der Pendlerpauschale rumzudoktern, ist wenig hilfreich“

Lisa Paus, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen
Nicht einmal jede:r Siebte fährt mit Bus und Bahn zur Arbeit. Foto: Pixabay/Shutterbug75

Zwar ist nachvollziehbar, dass Menschen trotz langer Arbeitswege bei ihrer Familie oder auf dem Land wohnen wollen, doch schon heute leben drei von vier Arbeitnehmer:innen in Städten. 68 Prozent der Menschen fahren laut statistischem Bundesamt trotzdem mit dem Auto zur Arbeit. Kein Wunder also, dass das Umweltbundesamt das hohe Verkehrsaufkommen durch die Entfernungspauschale moniert. Der Grund ist schnell im Einkommenssteuergesetz gefunden.

Darin ist geregelt, dass die Pendlerpauschale als Werbungskosten von allen Menschen in der Steuererklärung angegeben werden kann, die einen Weg zur Arbeitsstelle zurücklegen  – ob mit dem Auto, der Bahn, dem Rad oder zu Fuß ist dabei egal, nur im Homeoffice darf man nicht arbeiten. Sie beträgt 0,30 Euro pro Kilometer Arbeitsweg. 2021 wurde sie für Menschen mit längeren Anreisen erhöht: Ab dem 21. Kilometer fallen 0,35 Euro an, ab 2024 wird sie weiter erhöht.

Die Pendlerpauschale muss gerechter werden

Radfahrer:innen und Fußgänger:innen dürfen maximal 4.500 Euro Pauschale als Werbungskosten geltend machen, müssen aber auf mindestens 1.000 Euro Werbungskosten kommen. Das bedeutet: Wer an 220 Tagen 15 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit fährt, bekommt in der Regel gar nichts, weil er knapp unter dem Mindestsatz von 1.000 Euro Werbungskosten bleibt. Wer mit der Bahn fährt, bleibt in der Regel auf den Mehrkosten sitzen. In Ausnahmefällen gibt es einen Zuschuss zur Bahncard. Autofahrer:innen, die an 220 Tagen 70 Kilometer zur Arbeit gefahren sind, dürfen 5.170 Euro geltend machen und freuen sich über Hunderte Euro Rückerstattung, während CO2-sparende Radfahrer:innen höhere Mieten auf sich nehmen müssen. Das ist weder fair noch klimafreundlich.

Es muss etwas passieren – jetzt

Diese Bevorteilung des Autofahrens muss enden, schon allein aufgrund des jüngsten Berichts des Weltklimarats und egal, ob es allen Menschen passt oder nicht, denn die Menschheit ist in Gefahr. Die Pendlerpauschale sollte nicht steigen, für Autofahrer:innen schon gar nicht. Sie sollte auch für sie ebenso bei 4.500 Euro gedeckelt sein. Gleichzeitig müssen die Alternativen attraktiver und dafür Subventionen angeboten werden: Wir brauchen in Deutschland ein 365-Euro-Klimaticket, um ÖPNV für alle erschwinglich zu machen. Wir brauchen einen Ausbau des ÖPNV, aber keine erste Klasse. Wir brauchen Auto-Abmeldeprämien in Städten.

Doch wie soll man das alles finanzieren? Vielleicht so: Das Umweltbundesamt verweist darauf, dass es allein durch die Entfernungspauschale im Jahr 2018 zu Steuerausfällen in Höhe von 6 Milliarden Euro kam. Eine Deckelung für Autofahrer:innen wäre der erste, faire Schritt. Dann muss in den Städten das Parken teurer und digital kontrolliert werden, wie in Amsterdam. Null-Emissionszonen wie in jeder größeren Stadt in Italien, London oder Paris müssen die Fahrt in die Innenstadt unattraktiver machen. Die Einfahrt sollte wie dort von Blitzern überwacht und mit hohen Strafen belegt werden. Anwohnerparkausweise müssen deutlich teuer werden. Die Privatnutzung von Dienstfahrzeugen muss wie in Dänemark erheblich schwieriger werden. Das wäre ein guter Anfang für eine gerechtere und zudem umweltfreundlichere Pendler:innen-Mobilität.

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Lisa Paus

Lisa Paus

Die Grünen-Politikerin Lisa Paus ist bereits seit 2009 über die Berliner Liste im Bundestag und sollte auch als Spitzenkandidatin antreten, scheiterte jedoch. Im September wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden ihrer Bundestagsfraktion gewählt. Sie ist Obfrau im Finanzausschuss und als solche seit 2013 auch Sprecherin für Steuerpolitik.

Reinhard Sager

Reinhard Sager

Das ehemalige Mitglied des schleswig-holsteinischen Landtags ist seit 2014 Präsident des Deutschen Landkreistages und hat entsprechend ein Herz für Pendler:innen. Zudem ist Reinhard Sager Vorsitzender des deutsch-dänischen Fehmarnbelt-Komitees und kümmert sich darum, die Einflüsse durch den Tunnel auf Mensch und Natur möglichst gering zu halten.