Gerade hatte in den USA „Super Pumped: The Battle for Uber“ Premiere. Die TV-Serie erzählt die Story des umstrittensten Mobility-Start-ups der vergangenen Jahrzehnte. Dass Uber derart polarisiert hat, lag zum einen am Geschäftsmodell: Die Kund:innen buchen über eine App Privatleute, die sie dann herumchauffieren. Ein Frontalangriff auf das Taxi-Gewerbe also. Zum anderen – und das ist vielleicht der gewichtigere Punkt – ist Travis Kalanick, der Uber im Jahr 2009 gegründet hat, nicht gerade der diplomatische Typ.
„Ein Arschloch namens Taxi.“ So nannte Kalanick die Branche, die Uber mit großer Angriffslust und maximal kompromisslos attackierte. Und das A-Wort gehört auch zu den ersten, die Kalanick in der Serie „Super Pumped“ über die Lippen kommen. Die FUTURE MOVES-Redaktion durfte exklusiv in die ersten Episoden reinschauen. Aber keine Angst, wir werden hier nicht spoilern. Einen deutschen Starttermin gibt es derzeit noch nicht, er ist der Serie aber unbedingt zu wünschen. Denn „Super Pumped“ erzählt einen Urmoment der Verkehrswende: als die Digitalisierung mit aller Brutalität in die Mobilitätsbranche eingebrochen ist.
Kalanick wird in „Super Pumped“ von Joseph Gordon-Levitt verkörpert. Der gibt den Start-up-Gründer als etwas linkische, dabei überaus selbstbewusste Figur. Was ziemlich gut passt, kennt man diese Kombination doch von einem anderen Gründer, dessen Unternehmen die Welt in einem noch weit größeren Maße als Uber erschüttert hat. Ja, wenn man so will ist Travis Kalanick der Mark Zuckerberg der Mobilität.
„We fuck the status quo.“
Entscheidender Unterschied zwischen den beiden Gründern: Wo Zuckerberg lange Zeit mit kleinlauten Entschuldigungen und Besserungsgelöbnissen die Scherben kitten konnte, die er mit Facebook hinterließ – das Firmenmotto lautete lange Zeit „Move fast and break things“ –, hielt sich der Uber-Gründer nie mit Reue-Gesten auf. Wozu auch, schließlich ging es Kalanick von Anfang an um genau das: die Zerstörung des Bestehenden. Uber sei keine Firma, die sich dem Status quo beuge, hört man Kalanick in „Super Pumped“ sagen. „We fuck the status quo.“
Anlass für diese Kampfansage – eine von vielen in der Serie, durch die sich der hemdsärmelige Start-up-Bro-Sound als Grundton zieht – war der massive Gegenwind, der Uber schon beim Start von Seiten der Taxi-Betreiber entgegen geschlagen ist. Dieser Ur-Konflikt gibt „Super Pumped“ einen guten Drive. Hier der agile, gierige Newcomer, dort die satte, überregulierte Branche, die in Routinen aus dem vordigitalen Zeitalter erstarrt ist.
„Super Pumped“ liefert zudem eine gute Portion Gründer-Irrsinn. Die Macher:innen der Serie geben legendäre Eskapaden aus der Geschichte des Start-ups viel Raum. Etwa der Firmenfeier, die dermaßen aus dem Ruder lief, dass dem CEO am Ende eine Rechnung über 25 Millionen Dollar vorgelegt wurde. Ein nicht unwesentlicher Teil der Summe ging für die Begleichung der Schäden drauf, die Uber-Mitarbeitende angerichtet hatten.
Wenn – ziemlich großes „wenn“ – man einmal absieht von all den bekannten Uber-Fuck-ups, die „Super Pumped“ virtuos in die Handlung einwebt … bestes Beispiel direkt zu Beginn, wo die Entstehung der „Safe Rides Fee“ imaginiert wird. Nach einer Reihe von sexuellen Übergriffen durch Uber-Fahrer begegnete das Start-up dem Problem mit einer zusätzlichen Gebühr. Die soll dem Unternehmen Mehreinnahmen von einer halben Milliarde Dollar beschert haben, ohne dass auch nur ein Dollar davon tatsächlich in höhere Sicherheitsmaßnahmen investiert worden wäre.
Wenn man also diesen und Hunderte weitere Fuck-ups ausblendet, zeigt „Super Pumped“, wie viel Spaß es macht, sich mit dem Status quo anzulegen. Welche Begeisterung damit einhergehen kann, eine komplette Branche in Panik zu versetzen, allein weil man ein Produkt erschaffen hat, das die Kund:innen lieben. „Super Pumped“ ist im Kern trotz aller berechtigten Kritik an Uber auch eine Verbeugung vor Travis Kalanicks kreativer Energie.
Taugt „Super Pumped“ also als Blaupause für angehende New-Mobility-Gründer:innen? Definitiv nicht. Niemand will die in der Serie wiedergegebene Start-up-Welt zurück, in der ausschließlich junge weiße Männer den Ton angeben. Noch wichtigeres Gegenargument: Die Fuck-em-all-Attitüde eines Travis Kalanick mag geholfen haben, eine festgefahrene und innovationsfeindliche Branche aufzurütteln und dazu zu bringen, endlich einmal über Kundenorientierung und Digitalsierung nachzudenken. Doch zwei für eine echte Verkehrswende wesentliche Faktoren haben bei Ubers Aufstieg vom Underdog zum Taxi-Killer keine Rolle gespielt.
Zum einen war das die Idee der Kollaboration, also dass man auch als Rivalen gemeinsam mehr erreichen kann. In „Super Pumped“ wird Kalanick dagegen als Einzelgänger gezeigt, der eine zeitlang lieber mit rauschhafter Besessenheit den Mitbewerber Lyft bekämpft, statt das eigene Business voranzubringen. Außerdem, weiß man inzwischen, dass Uber und seine Mitbewerber alles andere als ökologische Verkehrsmittel sind. Studien zeigen, vielmehr ist das exakte Gegenteil der Fall. Immerhin hat Uber das Problem erkannt und hat angekündigt zur klimaneutralen Firma zu werden – bis zum Jahr 2040.
Was also ist das Fazit der FUTURE MOVES-Redaktion nach fünf Stunden „Super Pumped“? (Der Begriff ist übrigens einer der 14 „Core Values“, die Kalanick seinem Startup verordnet hat.) Es ist ambivalent. Die Serie macht Spaß, das auf jeden Fall. Vor allem, weil Joseph Gordon-Levitt seinem Travis Kalanick eine Aura verleiht, die zwischen mitreißender Dynamik und verstörendem Hass schillert. Vielleicht bekommt er dafür einen Emmy. Dem realen Vorbild würden wir allerdings eher kein Heldendenkmal im Museum der Mobilitätswende aufstellen. Vielleicht aber eine kleine Plakette in einer dunklen Ecke im Eingangsbereich.
„The laws are bullshit in the first place“
Denn Kalanick, der 2017 seinen Posten als Uber-CEO nach sechs skandalreichen Jahren räumen musste, hat fraglos ein Erbe hinterlassen. Mit seinem kompromisslosen Glauben an ein neues Taxi-Konzept, dem auf dem Heimatmarkt zunächst ebenso viel Gegenwind wie später auch in Deutschland entgegen schlug, ist es ihm gelungen, die Verbindung von Digitalisierung von Mobilität unumkehrbar zu machen. Vermutlich braucht es für solche echten Veränderungen immer einen Mangel an Respekt gegenüber dem Status Quo. „The laws are bullshit in the first place“, sagt Kalanick in „Super Pumped“ angesichts der Regeln zur Personenbeförderung. Ein Gedanke, den viele kennen dürften, deren innovative Mobilitätsideen durch StVO und Co. ausgebremst werden.
Trotzdem: Kalanick hat sich sein Image als Bad Boy der New Mobility verdient. Das Positive daran ist, dass er damit die Vorlage zur einer tollen TV-Serie geliefert hat. Das Positive an „Super Pumped“ wiederum ist, dass die Macher:innen es sich nicht so einfach gemacht haben, die Uber-Story als simples Schwarz-Weiß-Porträt zu zeichnen. Etwa wenn sie einen der – sehr wenigen – PoC-Mitarbeitenden vor dem Launch des Fahrdiensts in New York City berichten lassen, dass es für ihn teilweise unmöglich sei, in New York City ein reguläres Taxi zum Anhalten zu bewegen.
Solche Missstände ändern sich nun einmal nicht von allein, sondern nur durch Leute, die Alternativen erfinden. Das Beispiel von Uber zeigt, dass kreative Zerstörung nie nur gut oder nur schlecht ist, sondern immer beides zugleich. Und Travis Kalanicks Start-up ist da bei weitem nicht das Einzige Beispiel. Der Autor des gleichnamigen Buchs, auf dem „Super Pumped: The Battle for Uber“ basiert, soll bereits an der Vorlage für eine zweite Staffel arbeiten. Diesmal im Zentrum: Marc Zuckerberg und Facebook.
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Gunnar Froh
Mit Wundercar hat der Hamburger 2014 versucht, die Idee von Uber nach Deutschland und in eine Reihe weiterer europäische Länder zu bringen. Nach massivem Widerstand durch die Taxi-Lobby und Behörden verließ Wundercar zunächst Deutschland. Bald darauf drehte Froh das komplette Geschäftsmodell. Heute heißt die Firma Wunder Mobility und liefert Soft- und Hardware für Shared-Mobility-Anbieter. Die ganze Story gibt es im FUTURE MOVES Podcast.
Travis Kalanick
Mit Uber hat Travis Kalanick eine krasse Wachstumsstory geschaffen. Das 2009 als Ride-Hailing-Dienst gegründete Start-up ist heute in über 10.000 Städten aktiv und transportiert neben Personen auch Essen und Waren. Im Jahr 2020 machte Uber mehr als 11 Milliarden Dollar Umsatz – ohne Kalanick an der Spitze, der 2017 gehen musste. Aktuell baut er erneut eine millardenschwere Firma auf: einen Ghost-Restaurant-Lieferdienst.